1854 lerno belagerung und zerstorung jerusalem

Die Zerſtörung Jeruſalems Belagerung und Jahre 70 nach Chriſti Geburt. Eine geſchichtliche Skizze nach Flavius Joſep...

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Die

Zerſtörung Jeruſalems

Belagerung und

Jahre 70 nach Chriſti Geburt. Eine

geſchichtliche Skizze nach Flavius Joſephus. --



Programm zum Jahresberichte techniſchen Lehranſtalt in Straubing für das Schuljahr 18%. VON

Friedrich Dobler. m-M-

E i n l e i t u n g. Es iſt mehr als billig, daß wir einen aufmerkſamen Blick dem Ende einer Nation ſchenken, in deren Mitte unſere Religion und Kirche ihren Anfang genommen hat. Und wenn gleich das Volk durch unerhörte Frevel ſich des göttlichen Schutzes unwerth machte; wenn es gleich die Warnungen des beßten und heiligſten Lehrers verachtete; wenn es gleich die Rache des Himmels herausgefordert

hatte, da es bei dem Tode des Heiligſten rief: „Sein Blut komme über uns und unſere Kinder“ – ſo wird doch, da alles eintraf und in Erfüllung ging, das beiſpielloſe Elend, welches über die Meſſias

mörder hereinbrach, und die gänzliche Zerſtörung der ſo herrlichen Hauptſtadt, ſo wie des unter die Weltwunder gerechneten Tempels den Unwillen beſchwichtigen und unſer Mitleid in Anſpruch nehmen. Das Verfallen der jüdiſchen Nation hielt mit dem Wachsthume des Chriſtenthumes gleichen Schritt. Eine ſchnelle Reibung, hervorgebracht durch die Bedrückungen der idumäiſchen Fürſten, römiſchen Staat

halter und Landpfleger auf einer, – durch unklugen, unpolitiſchen Eifer, und beſonders durch Frevel thaten der Juden auf der andern Seite – erzeugte die Gewitterwolken, welche ſchwer über Jeruſalem ſich zuſammenzogen, und in jedem Augenblicke Verderben bringend ſich zu entladen drohten. Es iſt kein

Aberglaube, oder es gibt keine Geſchichte und keine Philoſophie: Die Unſittlichkeit, beſonders die Ungerechtigkeit eines Volkes bringt unfehlbar Verderben über ſelbes; – daß die

ſes alſo ſein ſollte, ſteht geſchrieben in jedes ehrlichen Menſchen Bruſt; daß es wirklich ſo ſei und ge ſchehe, ſteht geſchrieben in jeglicher Geſchichte. Den Druck von Außen bezeichne ich mit ein paar Worten des kräftigen Tacitus V. 9: „Nach „dem die Könige von Judäa ausgeſtorben oder auf wenig Gebiet beſchränkt waren, überließ Claudius

„das Land römiſchen Rittern oder Freigelaſſenen. Unter dieſen war Antonius Felix, der eben ſo grau „ſam, als wollüſtig königliche Rechte ausübte mit knechtiſchem Sinne“.

Die Belagerung und Berſtörung Jeruſalems im Jahre 70 nach Chriſti Geburt.

De

Veranlaſſung zum Aufruhr des jüdiſchen Volkes war der Landpfleger Florus. Dieſer kam mit dem Staathalter Zeſtius Gallus zu einer Volkszählung nach Jeruſalem. Die Juden, welche gerechte Klagen gegen den Landpfleger hatten, verlangten, daß ihn der Staathalter vom Amte entfernen ſollte. Dieſes geſchah nicht, und der beleidigte Florus ſteigerte die Bedrückungen aus Rache. Die Na

tion griff zu den Waffen, bemächtigte ſich der Feſtung Maſſada in Galiläa, wo ſie Waffenvorrath fanden, erſtürmte die auf den Mauern von Jeruſalem erbauten Burgen, und tödtete treulos die römiſche

Beſatzung, welche ſich auf gegebenes Wort ergeben hatte. Von da an begann ein zerſtörender Kampf, in welchem die Juden anfangs glücklich waren. Die Chriſtengemeinden aber trauten der ſchwindelnden jüdiſchen Hoffnung nicht, ſondern achteten auf die Warnung Jeſu, und begaben ſich nach Pella in Peräa. Kaiſer Nero trug die Fortſetzung des jüdiſchen Krieges dem Veſpaſianus auf, der nachmals ſelbſt

zum Kaiſer ausgerufen wurde. Veſpaſian mit ſeinem Sohne Titus nahm die galiläiſchen Feſtungen mit Gewalt und näherte ſich allmählig den Gränzen von Judäa.

Er rechnete auf den Zwieſpalt und

die Trennung der Juden, welche ſeinen Zweck beförderten. Das flache Land ward von Rotten junger Juden geplündert, und als das Mark aufgezehrt war, ſo wendeten ſie ſich nach Jeruſalem, wo ſie Aufnahme bei Johannes von Giſchala fanden. Dieſer herrſchſüchtige Mann war aus der Feſtung

Giſchala in Galiläa mit einer Rotte glücklich entkommen, hatte ſich nach Jeruſalem hineingeworfen und gegen die feindlich Geſinnten daſelbſt die Schreckensregierung angefangen. Um den Bedrückungen ein Ziel zu ſetzen, bewaffnete der hohe Prieſter Ananias das Volk gegen den Galiläer Johannes und

ſeinen Anhang; dieſe wurden zum Weichen genöthiget, beſetzten den Tempel und verſchanzten, weil ſie ſich in den Außenwerken nicht mehr halten konnten, ſich im Innern deſſelben. Der Gräuel der Ver wüſtung ſtand auf der heiligen Stätte.

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Die im Tempel vom Volke Belagerten riefen nun die Idumäer gegen Jeruſalem auf, welche mit 20,000 Mann die Stadt belagerten, in einer ſtürmiſchen Nacht hineingelaſſen wurden, und mit

Mord und Raub dieſe verwüſteten. Acht tauſend Mann, der hohe Prieſter Ananias, der geweſene Hoheprieſter Jeſus lagen am erſten Tage erſchlagen auf offener Gaſſe. Die Idumäer verließen zwar bald Jeruſalem wieder; allein Johannes von Giſchala und die ihm anhangenden Zeloten waren nun

in ihrer Schreckensherrſchaft befeſtiget, und verfuhren gegen das Volk mit Willkühr. Unter ſolchen Umſtänden ſcheint die Tapferkeit der Römer nicht ſehr glänzend – –; wie leicht mußte ihnen eine entzweite Hauptſtadt zur Beute werden.

Unterdeſſen hatten die römiſchen Legionen im Weſten, in Belgien, gegen Nero ſich empört, welchen Galba zum Kaiſer ausgerufen. Veſpaſian erhielt Nachricht, daß Nero erſchlagen ſey, und daß die weſtlichen Legionen kriegeriſch gegeneinander rücken. Dieß veranlaßte ihn, den jüdiſchen Krieg vor der Hand einzuſtellen, und nach Italien zu ziehen im Jahre 68 n. Ch. G. Die Unterbrechung des Krieges diente nur dazu, das Elend auf dem Lande und in der Stadt zu

vermehren. Die Römer zogen ab – das Raubgeſindel fand freien Spielraum. Ein Schwarm von Mördern und Räubern, welche in die Berge entflohen waren, ſammelte ſich unter der Anführung eines gewiſſen Simon, nahte ſich der Hauptſtadt, und belagerte ſie, als man ihm die Thore verſchloß; ſo war die Schreckensherrſchaft des Johannes von Innen mit der Belagerung von Außen zur Qual

des Volkes vereinigt. Niemand durfte es mehr wagen, die Stadt zu verlaſſen, friedfertige Einwohner, darbende Greiſe, welche ausgegangen waren, Lebensmittel zu holen, wurden mit abgehauenen Händen zurück in die Stadt geſchickt. Endlich glaubte man das geringere Uebel zu wählen, ſchloß mit Simon einen Bund gegen den Johannes, und ließ den erſtern in die Stadt, welche nun zum Schlachtfelde

wurde, da Johannes häufige Ausfälle aus dem Tempel, und Simon heftige Angriffe gegen den Tempel wagte. Um die Verwirrung voll zu machen, trennten ſich die Zeloten im Tempel wieder in zwei Partheien, wovon die Einen, wahrſcheinlich die Galiläer, welche mit Johannes aus Giſchala entflohen waren, dem Johannes – die Andern, die vom Lande gekommenen jugendlichen Zeloten, wahr ſcheinlich einem gewiſſen Eleazar gehorchten. Dieſer beſetzte das Innere des Tempels, Johannes die Außenwerke. So vergingen beinahe zwei Jahre, während Veſpaſian's Heerführer den Kampf auskämpf ten, der ihn auf den Thron erhob. In Alexandria erhielt er die Nachricht ſeiner Erhebung, reiſete nach Rom, und übergab ſeinem Sohne Titus den Krieg gegen die Juden. Dieſes hartnäckige Volk war feſt entſchloſſen, der römiſchen Macht zu widerſtehen, während, wie ihr Landsmann Joſephus ſagt, Hungersnoth, Erdbeben und Wunderzeichen ihnen den heran nahenden Untergang verkündigten. Himmel und Erde ſammt der Römermacht waren gegen Abrahams Nachkom men, noch ärger waren ſie gegen einander ſelbſt; und doch hielten ſie aus ohne Furcht und Wanken bis zum letzten Todesſtoß. Da die Stadt in der ſchlimmſten Lage war, rückte Titus mit einem Heere gegen ſie, und ſchloß ſie in einer Entfernung von ſechs Stadien ein. Am Oſterfeſte, wo eine unzähl bare Menge Volkes nach alter Sitte am heiligen Orte ſich verſammelt hatte, begann die Belagerung. Der Anblick des römiſchen Heeres brachte die wüthenden Demagogen zur Beſinnung; ſie beſchloſſen ein müthig Widerſtand gegen den gemeinſchaftlichen Feind und Verſchub ihrer Streitigkeiten auf eine ſchick

lichere Zeit. Ihr erſter Ausfall brachte zwar die Römer in Unordnung, und zwang ſie, nach den Ber

gen zu fliehen; allein ſie ſammelten ſich ſchnell wieder. Titus erprobte ſich als klug und tapfer, und trieb die muthigen Juden in die Stadt zurück. Die Privatrache und Fehde hörte darin nicht auf; bei jeder gegönnten Friſt wütheten die Partheien gegen einander; nur in der Entſchloſſenheit gegen die Rö mer waren ſie einig.

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Jeruſalem war durch ſtarke Mauern befeſtiget, anderwärts durch tiefe Thäler geſichert. Mit gar vieler Mühe und Gefahr brachte Titus die Zerſtörung der äußerſten Mauer zu Stande. Er bot den Juden Vergebung an; ſie wurde mit Verachtung ausgeſchlagen. Fünf Tage nach dem Anfange der Belagerung ſtürzte die zweite Mauer, und obgleich zurückgetrieben, faßten die Römer wieder feſten Fuß, und ſchickten ſich an, die dritte Mauer, den letzten Reſt des Schutzes für die Stadt, niederzureißen. Vor

her wurde noch der Jude Joſephus, welcher ſich beim römiſchen Heere befand, in die Stadt ge ſchickt, und bot alle Beredſamkeit auf, ſie zur Uebergabe zu vermögen; man wies ihn mit Spott und Vorwürfen zurück. Nun ging die Belagerung mit größter Hitze ihren zerſtörenden Gang. Die ganze

Stadt wurde, wie Chriſtus vorherſagte, mit einem Graben eingeſchloſſen, um alle Unterſtützung und Zufuhr abzuſchneiden. Aber die Juden fürchteten den Graben von Außen ſo wenig, als den Hunger und ſeine gewöhnliche Gefährtin, die Peſt, welche innerhalb der Mauer wüthete. Sie waren genöthi get, die eckehafteſten Dinge zu genießen; halbverfaulte menſchliche Leichnamen wurden aus der Erde gegraben, und dienten zur Nahrung. Der Hunger wurde ſo mächtig, daß eine Frau von Stand in der Stadt ihr eigenes Kind kochte, um es zu eſſen, ſo daß Titus, dieſe ſchreckliche That vernehmend, ſagte: „Ein ſo abſcheuliches Verbrechen müße er in den Ruinen der Stadt vergraben.“ Alles Holz in beträchtlicher Entfernung um die Stadt wurde niedergehauen, um Bruſtwehren, Dämme. u. dgl. zu errichten, und Wurfmaſchinen darauf ſpielen zu laſſen. Indeſſen flohen Manche aus der Stadt, und unter dieſen hatte Einer kleine Goldſtücke verſchluckt, um noch etwas Vermögen unvermerkt in das rö miſche Lager mitzubringen. Er wurde von einem ſyriſchen Soldaten ertappt, wie er das Gold in ſei nen Ausleerungen aufſuchte, und ſogleich verbreitete ſich das Gerücht, daß die ins Lager entflohenen Juden ſich mit Gold angefüllt hätten; nun ſieng der Soldaten Wetteifer an, ſich dieſe Schätze zuzueig nen, und man fand in Einer Nacht 2000 ausgeweidete Juden. Obſchon Titus die Todesſtrafe auf dieſe Gräuel ſetzte, wurde ſie doch im Geheimen fortgetrieben. Nach 21 Tagen, welche die Römer brauchten, um neue Maſchinen ſtatt der zerſtörten zu bauen, wurde der Hauptangriff gegen die Burg Antonia gerichtet; nur zwölf Soldaten, welche dem Aufge bot folgten, brachten die Juden znr Flucht, konnten jedoch die Burg nicht behaupten. Zwei Tage dar

auf, am 5. Juli, wurde die Wache in der Burg von den Römern überraſcht, welche in die Trompete ſtießen, und durch den Lärm die Juden in Verwirrung brachten. Titus kam mit mehreren Truppen

zu Hilfe, eroberte die Burg, und legte es darauf an, mit den Juden ſogleich in den Vorhof des Tem pels zu dringen, wurde aber durch muthigen Widerſtand dießmal noch zurückgedrängt. Sieben Tage wurden verwendet, die Mauern der Burg niederzureißen, welche den Legionen im Angriffe gegen den Tempel hinderlich waren. Nach dieſer Zerſtörung ließ Titus, der die Stadt und den Tempel gerne hätte erhalten mögen, noch einmal durch Joſephus zur Uebergabe auffordern, und dem Johannes von Giſchala freien Abzug anbieten. Auch dieſer Antrag wurde verworfen.

Mehrere Tage wurde von beiden Seiten mit aller Anſtrengung gefochten, bis die ganze nördliche Einfaſſung des Tempels durch Brand zerſtört, und auf dieſer Seite der Tempelplatz eröffnet war. In deſſen war hiemit nichts ausgerichtet, ſolange der Tempel ſelbſt, in der Mitte des äußern Vorhofes wie eine feſte Burg gebaut, und durch hinlänglich viereckichte Einfaſſung von undurchdringlichen Mau ern geſchützt, in der Gewalt der Zeloten blieb. Vergebens ſuchte man ſechs Tage hindurch dieſe Mau

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ern mittels Mauerbrecher zu löſen; man begann dieſelben mühſam zu untergraben, legte Sturmleitern an, und nun ſtanden die römiſchen Adler auf den Tempelmauern; der Sturm wurde abermal abgeſchlagen. Jetzt verſuchte man es mit Feuer gegen die Eingangsthore und – das gelang. Die Flamme ergriff die hölzernen Thüren, die Gallerien, die zum Dienſte der Prieſter angelegten Gemächer, und drohte den Tempel ſelbſt anzugreifen; da befahl Titus, den Brand zu löſchen. Während die Römer mit Löſchen beſchäftiget waren, machten die Juden noch zwei Ausfälle, und als ſie zum zweiten Male zu

rückgedrängt wurden, da ergriff ein römiſcher Soldat aus eigenem Antrieb einen Feuerbrand, ließ ſich auf den Schultern eines Kameraden die Mauern hinanheben, und warf den Brand durch ein Fenſter in das Innere des Tempels. Die Flamme griff mit ſolcher Gewalt um ſich, daß an ein Löſchen nicht mehr zu denken war; auch hörten die Soldaten in der Erbitterung nicht mehr auf die dazu ertheilten Befehle, und bald war der Augenblick gekommen, von dem Jeſus Chriſtus ſo lange vorher ſprach.

Da Er aus dem Tempel ging, ſagte Einer von ſeinen Jüngern: „Meiſter! ſieh, welche Steine und welches Gebäude!“ Der Heiland antwortete: „Siehſt du alle dieſe großen Gebäude? nicht ein Stein wird auf dem andern gelaſſen werden, der nicht abgebrochen würde; vorher aber muß das Evangelium allen Völkern verkündet werden.“ Markus XIII. 1 – 10. Matthäus XXIV. 1 – 28. Lukas XXI. 5 – 24.

Als der Tempel in Ruinen lag, wich aller Muth von den Juden, ihr Geſchrei und Wehklagen hörte man von den Bergen wiederhallen; ſelbſt jene, die in den letzten Zügen lagen, hoben ihre bre chenden Augen auf, und beweinten den Verluſt des Tempels, der ihnen lieber als ihr Leben war. Die Entſchloſſenſten bemühten ſich zwar, den ſtärkſten und höchſten Theil der Stadt, die Burg Sion, zu be

haupten; aber Titus machte ſich bald zum Herrn des ganzen Ortes am 8. September im Jahre 70 nach Chriſti Geburt. Einen Tag und die folgende Nacht hindurch mordeten die Römer, bis ſie vor Ermattung ablaſſen mußten. Nun wurde der wehrloſe Theil des Volkes in dem Tempel, welchen man die Weiberhalle hieß, eingeſchloßen; Titus befahl eine Sonderung; die Aufwiegler und Räuber wurden auf der Stelle niedergehauen; die ſchönſte und rüſtigſte Jugend ward für den Triumphzug des Titus ausgeſetzt; die andern über 17 Jahre Alten nach Aegypten zur Sklavenarbeit und amphitheatrali ſchen Mordſpielen beſtimmt, die Jüngeren verkauft. Während dieſer Sonderung, die mehrere Tage

dauerte, ſtarben 11,000 Menſchen vor Hunger; denn Manche erhielten keine Nahrung, Viele wollten keine nehmen; 2000 Erhungerte und durch eigene Hand Umgekommene wurden in unterirdiſchen Klüf ten gefunden. Ueber eine Million war während der Belagerung umgekommen; die Zahl der Ge

fangenen belief ſich auf 97,000 Mann. Johannes von Giſchala und Simon wurden aus den Ge wölben, worin ſie ſich verſteckt hatten, hervorgezogen, der Erſtere ward zum ewigen Gefängniße verur theilt, der Letztere in Ketten für den Triumphzug des Titus nach Rom geſchickt und dann hingerichtet. Als die Mord- und Raubluſt der Römer erſättiget war, die ſogar unterirdiſche Klüfte und Schlünde durchwühlt hatte, befahl Titus, die Mauern des Tempels einzureißen und ſelbſt deſſen Fundament aus dem Boden zu heben. Die Stadt wurde geſchleift und die Pflugſcharr über die Ruinen gezogen zum Zeichen, daß hier Niemand bauen dürfe. Die drei Thürme Hippikos, Phaſael und Mariamer wurden zum Denkmal erhalten, daß Jeruſalem hier geſtanden. So wurde nach ſechsmonatlicher Be

lagerung die edle Stadt vernichtet, welche unter des Himmels Schutze über 2000 Jahre geblüht hatte. Der jüdiſche Staat hatte ein Ende; die unglücklichen Ueberlebenden, welche nicht an das Kreuz ge ſchlagen, in die Sclaverei geſchleppt oder verkauft worden ſind, zerſtreuten ſich in alle Theile der Welt, und die Juden ſind nach ſo langer Zeit noch ganz unvermiſcht mit den Völkern, unter welchen ſie le ben, anzutreffen bis auf den heutigen Tag.

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ern mittels Mauerbrecher zu löſen; man begann dieſelben mühſam zu untergraben, legte Sturmleitern an, und nun ſtanden die römiſchen Adler auf den Tempelmauern; der Sturm wurde abermal abgeſchlagen. Jetzt verſuchte man es mit Feuer gegen die Eingangsthore und – das gelang. Die Flamme ergriff die hölzernen Thüren, die Gallerien, die zum Dienſte der Prieſter angelegten Gemächer, und drohte den Tempel ſelbſt anzugreifen; da befahl Titus, den Brand zu löſchen. Während die Römer mit Löſchen beſchäftiget waren, machten die Juden noch zwei Ausfälle, und als ſie zum zweiten Male zu

rückgedrängt wurden, da ergriff ein römifcher Soldat aus eigenem Antrieb einen Feuerbrand, ließ ſich auf den Schultern eines Kameraden die Mauern hinanheben, und warf den Brand durch ein Fenſter in das Innere des Tempels. Die Flamme griff mit ſolcher Gewalt um ſich, daß an ein Löſchen nicht mehr zu denken war; auch hörten die Soldaten in der Erbitterung nicht mehr auf die dazu ertheilten

Befehle, und bald war der Augenblick gekommen, von dem Jeſus Chriſtus ſo lange vorher ſprach. Da Er aus dem Tempel ging, ſagte Einer von ſeinen Jüngern: „Meiſter! ſieh, welche Steine und welches Gebäude!“ Der Heiland antwortete: „Siehſt du alle dieſe großen Gebäude? nicht ein Stein wird auf dem andern gelaſſen werden, der nicht abgebrochen würde; vorher aber muß das Evangelium

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Völkern

Fºtº:

werden.“

Markus XIII. 1 – 10. Matthäus XXIV. 1 – 28. Lukas

XXI. 5 – 24.

Als der Tempel in Ruinen lag, wich aller Muth von den Juden, ihr Geſchrei und Wehklagen hörte man von den Bergen wiederhallen; ſelbſt jene, die in den letzten Zügen lagen, hoben ihre bre chenden Augen auf, und beweinten den Verluſt des Tempels, der ihnen lieber als ihr Leben war. Die Entſchloſſenſten bemühten ſich zwar, den ſtärkſten und höchſten Theil der Stadt, die Burg Sion, zu be

haupten; aber Titus machte ſich bald zum Herrn des ganzen Ortes am 8. September im Jahre 70 nach Chriſti Geburt. Einen Tag und die folgende Nacht hindurch mordeten die Römer, bis ſie vor Ermattung ablaſſen mußten. Nun wurde der wehrloſe Theil des Volkes in dem Tempel, welchen man die Weiberhalle hieß, eingeſchloßen; Titus befahl eine Sonderung; die Aufwiegler und Räuber wurden auf der Stelle niedergehauen; die ſchönſte und rüſtigſte Jugend ward für den Triumphzug des Titus ausgeſetzt; die andern über 17 Jahre Alten nach Aegypten zur Sklavenarbeit und amphitheatrali ſchen Mordſpielen beſtimmt, die Jüngeren verkauft. Während dieſer Sonderung, die mehrere Tage

dauerte, ſtarben 11,000 Menſchen vor Hunger; denn Manche erhielten keine Nahrung, Viele wollten keine nehmen; 2000 Erhungerte und durch eigene Hand Umgekommene wurden in unterirdiſchen Klüf ten gefunden. Ueber eine Million war während der Belagerung umgekommen; die Zahl der Ge fangenen belief ſich auf 97,000 Mann. Johannes von Giſchala und Simon wurden aus den Ge

wölben, worin ſie ſich verſteckt hatten, hervorgezogen, der Erſtere ward zum ewigen Gefängniße verur theilt, der Letztere in Ketten für den Triumphzug des Titus nach Rom geſchickt und dann hingerichtet. Als die Mord- und Raubluſt der Römer erſättiget war, die ſogar unterirdiſche Klüfte und Schlünde durchwühlt hatte, befahl Titus, die Mauern des Tempels einzureißen und ſelbſt deſſen Fundament aus dem Boden zu heben. Die Stadt wurde geſchleift und die Pflugſcharr über die Ruinen gezogen zum Zeichen, daß hier Niemand bauen dürfe. Die drei Thürme Hippikos, Phaſael und Mariamer wurden zum Denkmal erhalten, daß Jeruſalem hier geſtanden. So wurde nach ſechsmonatlicher Be

lagerung die edle Stadt vernichtet, welche unter des Himmels Schutze über 2000 Jahre geblüht hatte. Der jüdiſche Staat hatte ein Ende; die unglücklichen Ueberlebenden, welche nicht an das Kreuz ge ſchlagen, in die Sclaverei geſchleppt oder verkauft worden ſind, zerſtreuten ſich in alle Theile der Welt, und die Juden ſind nach ſo langer Zeit noch ganz unvermiſcht mit den Völkern, unter welchen ſie le ben, anzutreffen bis auf den heutigen Tag.